Ziele überarbeitet und angepasst – nächste EEA-Zertifizierung im Jahr 2026: Mit neuem Leitbild zur Treibhausgasneutralität
Die Wirtschaft hat nach wie vor den größten Anteil am Endenergieverbrauch der Stadt Biberach: 67 Prozent waren es 2022. Dies geht aus der aktualisierten Energie- und CO2-Bilanz für die Jahre 2019 bis 2022 hervor. Trotz leicht sinkender Verbrauchswerte ist die Wirtschaft, verbunden mit der großen Anzahl an Pendelnden, für Biberach und dessen Emissionen prägend. Private Haushalte (19 Prozent) und der Verkehr (13 Prozent) tragen im Verhältnis deutlich weniger zum Endenergieverbrauch bei. Die Treibhausgasemissionen beliefen sich 2022 auf 427.000 Tonnen. Das sind 12,6 Tonnen pro Kopf – deutlich mehr als im Landes- und Bundesschnitt. Erneuerbare Energien deckten in Biberach jeweils 13 Prozent des Strom- und Wärmebedarfs ab.
Die Stadtverwaltung konnte ihren Endenergieverbrauch von 2019 bis 2023 um fünf Prozent senken. Um den Verbrauch weiter zu minimieren, ist der Bereich Gebäude und Infrastruktur die zentrale Stellschraube. Er macht 95 Prozent der Treibhausgasemissionen der städtischen Verwaltung aus. Insgesamt, so die Schlussfolgerung der Verwaltung aus der fortgeschriebenen Bilanz, seien noch „erhebliche Anstrengungen“ bei Energieeinsparung, dem Ausbau der erneuerbaren Energien und klimafreundlicher Mobilität nötig.
Emissionsfreier Fuhrpark
Dokumentiert sind diese Anstrengungen im Leitbild „Biberach auf dem Weg zur Treibhausgasneutralität“, das neun Ziele beinhaltet. Neben allgemein formulierten Zielen wird es unter anderem bei der nachhaltigen Mobilität konkret. Bis 2030 sollen 60 Prozent des Binnenverkehrs im Umweltverbund (ÖPNV, Fußgänger, Fahrrad) abgewickelt werden, bis 2040 65 Prozent. Ein Viertel der in Biberach zugelassenen Kfz soll bis 2030 CO2-emissionsfrei fahren, bis 2040 sollen es 60 Prozent sein. Die eigenen Busse im Stadtlinienverkehr sollen bis 2023 zu 40 Prozent treibhausgasneutral unterwegs sein, 2040 soll dieser Wert bei 100 Prozent liegen. Der kommunale Pkw-Fuhrpark soll bis 2030 zu 100 Prozent emissionsfrei unterwegs sein. Bei den erneuerbaren Energien ist verankert, dass deren Anteil an der Strombereitstellung im Stadtgebiet bis 2030 auf 40 Prozent erhöht werden soll (2040: 90 Prozent), an der Wärmebereitstellung bis 2030 auf 30 Prozent (2040: 60 Prozent).
Sowohl das Leitbild als auch die Energie- und CO2-Bilanz sind Teil des energiepolitischen Arbeitsprogramms, das bestimmend ist für die Aktivitäten der Stadt im Bereich Klimaschutz und Energie – und damit auch Basis für die nächste EEA-Zertifizierung, die 2026 ansteht. Nach dieser Zertifizierung soll neu bewertet werden, ob die Stadt weiterhin Teil dieses Programms sein will.
Alle sind gefordert
Im Bauausschuss wurde vorrangig über das neue Leitbild diskutiert. Thomas Kimmich (FW) bezeichnete dieses als „sehr ehrgeizig“, stellenweise sei es vielleicht sogar unrealistisch. Auch die Industrie sei gefragt, Lösungen zu erarbeiten. Kimmich betonte aber auch: „Unseren großen Unternehmen verdanken wir den Reichtum, um den uns so viele beneiden.“ Constantin Ruppel (SPD) bemängelte hingegen, dass man sich beim neuen Leitbild auf „weiche und unklare Formulierungen“ zurückziehe. „Das gibt uns zu denken.“ Die Ziele müssten verbindlich und überprüfbar sein. Einen möglichen Ausstieg aus dem EEA betrachtete Ruppel kritisch. Günter Warth (FDP) sprach von „idealisiert dargestellten Zielen“. Allein beim ÖPNV bekomme man schnell die Grenzen aufgezeigt. „Hier scheitert es schon an den Busfahrern.“ Grundsätzlich müsse die wirtschaftliche Verträglichkeit im Fokus stehen. „Der Weg darf nicht naiv beschritten werden“, forderte Warth. „Wir sind für einen realistischen Klimapfad.“
Petra Romer-Aschenbrenner (CDU) sagte mit Blick auf den Energy Award: „Aus unserer Sicht sind realistische Ziele wichtiger als Zertifizierungen.“ Dazu gehöre beispielsweise, das Radwegenetz weiter auszubauen. Dies erleichtere den Bürgern den Umstieg. Generell gelte: Erwünschtes Verhalten müsse so einfach wie möglich gefördert werden. Josef Weber (Grüne) unterstrich die Bedeutung des neuen Leitbilds. „Mit ihm haben wir die Chance, bei der Treibhausgasneutralität möglichst weit zu kommen.“ Für dieses Ziel müsse jeder vor Ort alles geben. Der Energieverbrauch in Biberach sei schließlich sehr hoch. „Aber es bringt nichts, alles dem Wirtschaftsstandort zuzuschieben.“
Stadtplanungsamtsleiter Roman Adler bestätigte, dass das Leitbild ambitioniert ist. „Das muss es aber auch sein, wir müssen als Kommune vorangehen.“ Zum EEA-Zertifikat sagte er, dass man diesem nicht hinterher renne, wohl aber die aktuellen Entwicklungen beobachte. In dem Zertifizierungsprozess ändere sich derzeit viel, manche Bereiche würden mittlerweile deutlich strenger bewertet. Die städtische Klimaschutzmanagerin Lisa-Marie Schröder ergänzte, dass man die im Leitbild genannten Punkte nicht reduziert habe und darüber hinaus als realistisch einstufe. Sie verwies exemplarisch auf ÖPNV, Fußgänger und Radfahrende, die bis 2030 60 Prozent des Binnenverkehrs abdecken sollen – derzeit liege der Anteil bei 58 Prozent.
Die Beschlussempfehlung an den Gemeinderat, das aktualisierte Leitbild weiterzuverfolgen und das energiepolitisch Arbeitsprogramm bis 2030 als Grundlage für das weitere Vorgehen im European Energy Award zu nehmen, erfolgte bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen mehrheitlich. Ziele überarbeitet und angepasst – nächste EEA-Zertifizierung im Jahr 2026 Mit neuem Leitbild zur Treibhausgasneutralität Seit Jahresbeginn sind acht neue vollelektrische Busse der Stadtwerke auf Biberachs Straßen unterwegs – auch sie tragen einen Teil zur angestrebten Treibhausgasneutralität bei. Foto: BIKO 6 | 28. Juni 2025