Hauptausschuss diskutiert über SPD-Antrag: So soll die Bürgerfragstunde künftig ablaufen

Der Gemeinderat kann Bürgern bei öffentlichen Sitzungen eine Fragestunde anbieten. So steht es in der Gemeindeordnung von Baden-Württemberg. In Biberach ist diese Fragestunde in der Regel der erste Tagesordnungspunkt der Gemeinderatssitzung. Konnten Bürger früher spontan ihre Anliegen vorbringen, wurde das Verfahren zu Beginn der Pandemie dahingehend modifiziert, dass Fragen vorab schriftlich eingereicht werden müssen. Ein Ablauf, der sich aus Sicht der Verwaltung bewährt hat. Die SPD-Fraktion hatte hingegen vor einigen Monaten beantragt, wieder zur Bürgerfragestunde in Präsenz zurückzukehren und auch nicht zuvor angemeldete Fragen zuzulassen. Darüber wurde im Hauptausschuss jetzt kontrovers und ausführlich diskutiert.

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Rathaus Biberach

Die derzeit praktizierte Regelung, eingeführt im Jahr 2020, sieht vor, dass Bürger ihre Fragen über ein Online-Formular einreichen können. Die Stellungnahmen der Fachämter werden von der Verwaltung anschließend bei der „Bürgerfragestunde online“ im Gemeinderat beantwortet, sofern der Fragesteller anwesend ist. Andernfalls gibt es die Antwort schriftlich. 33 Bürger nutzten im vergangenen Jahr diese Möglichkeit, im Jahr 2023 waren es 30. 2019, im letzten Jahr vor der Pandemie, hatten sich in der Präsenz-Fragestunde insgesamt 26 Bürger zu Wort gemeldet.

 Nach Ansicht der Verwaltung ein Beleg dafür, dass das vorherige Einreichen der Fragen die Bürger nicht davon abhält, dieses Format zu nutzen. „Für die Bürger ist es einfacher und komfortabler, sie müssen nicht in der Sitzung anwesend sein“, sagte Andrea Appel, Amtsleiterin Gremien, Kommunikation und Bürgerengagement, im Hauptausschuss. Ein weiterer Vorteil des aktuellen Verfahrens sei, dass sich die Verwaltung vorbereiten und somit fundierte Antworten liefern könne. Eine Diskussion, eine Beratung oder ein Austausch sei in einer Bürgerfragestunde nicht vorgesehen. Es gebe zahlreiche andere Möglichkeiten, mit der Verwaltung in Kontakt zu treten. Appel verwies exemplarisch auf die Sprechstunden von Oberbürgermeister Norbert Zeidler und Baubürgermeister Simon Menth. Aus Sicht der Verwaltung, so Appels Fazit, habe sich das aktuelle Verfahren der Bürgerfragestunde bewährt und solle fortgesetzt werden.

 Die SPD hatte ihren Antrag, der neben der Bürgerfragestunde in Präsenz weiterhin das Einreichen von Fragen per Mail vorsieht, unter anderem damit begründet, dass der unmittelbare Austausch zwischen Bürgern und den politischen Vertretern gefördert werden soll, um Transparenz und Bürgernähe wieder stärker in den Vordergrund zu rücken. Stadträtin Ulrike Wachter bekräftigte im Hauptausschuss, dass ihre Fraktion trotz des ablehnenden Beschlussvorschlags der Verwaltung am Antrag festhalte. „Durch den persönlichen Austausch werden Vorurteile abgebaut und das Vertrauen gestärkt.“ Eine Fragestunde könne in der Tat unbequem sein, sagte Wachter. „Aber deshalb den direkten Austausch vermeiden?“ Demokratie lebe vom Diskurs. Zuspruch gab es vor allem von der Grünen-Fraktion. „Wir finden den Geist des Antrags, den direkten Dialog zu ermöglichen, gut“, sagte Anne Vogel. Sie würde es außerdem begrüßen, eine Rückfrage oder ein Statement der Bürger zur Antwort der Verwaltung „mit einem engen zeitlichen Fenster“ zuzulassen. Stefanie Etzinger (FW) ging auf die im SPD-Antrag gewählte Formulierung eines „unmittelbaren Austauschs“ ein. Einen solchen habe es auch früher in der Bürgerfragestunde nicht gegeben. Eine direkte Beteiligung der Bürger finde auf anderer Ebene statt. In dieser Form sage ihrer Fraktion der Antrag nicht zu. Je nach Ausgestaltung könne sie sich aber sowohl spontane als auch vorab eingereichte Fragen parallel vorstellen.

Auch Hildegard Ostermeyer (FDP) lehnte einen unmittelbaren Austausch bei der Bürgerfragestunde ab. „Das sprengt den Rahmen komplett.“ Sie könne sich aber vorstellen, das Onlineformat um eine „mündliche Fragemöglichkeit“ bei den Sitzungen zu ergänzen. Gerade auch für ältere und eventuell nicht so onlineaffine Bürger. Petra Ladel (CDU) schloss sich der Haltung der Verwaltung an und betonte die Vorteile des derzeitigen Ablaufs. „Es gibt effiziente und fundierte Antworten, wenn sich die Verwaltung darauf vorbereiten kann.“ Ihr Fraktionskollege Peter Schmogro erinnerte an frühere Bürgerfragestunden, als Sitzung um Sitzung gekapert worden sei. „Einzelnen ging es gezielt darum, die Verwaltung bloßzustellen.“ Dies dürfe man als Gemeinderat der Verwaltung nicht zumuten.

„Vorbildlich unterwegs“

Ähnliches merkte auch OB Zeidler an. Er sehe die Gefahr eines „Sitzungs-Showdowns“ vorab in der Bürgerfragstunde. „Ich weiß nicht, ob das für die Sitzungskultur gut ist.“ Das jetzige Format sei sehr bürgerfreundlich, niemand werde vertröstet oder erhalte nur „Wischiwaschi“- Antworten. „Wir sind hier vorbildlich unterwegs“, sagte Zeidler und verwies darauf, dass es beispielsweise in Ulm gar keine vergleichbare Fragestunde und in Ravensburg nur dreimal im Jahr eine gebe. Für einen direkten Austausch mit der Stadtverwaltung stünden den Biberacher Bürgern „zig Möglichkeiten“ zur Verfügung.

Weitere Wortmeldungen drehten sich um die Bezeichnung der Bürgerfragestunde. Mehrere Räte baten darum, das Wort „online“ zu streichen und auch die Fragestunde selbst anders zu benennen. „Es soll nicht ein Dialog suggeriert werden, den wir gar nicht haben“, so Petra Romer-Aschenbrenner (CDU). Da sich für den SPD-Antrag keine Mehrheit abzeichnete, zog die Fraktion diesen zurück. Beantragt wurde von den SPD-Stadträten stattdessen, wieder zum alten Verfahren der Fragestunde in Präsenz zurückzukehren, ergänzt um die Möglichkeit, Fragen vorab einzureichen. Dieser Antrag wurde mehrheitlich abgelehnt. Zur Abstimmung kam ein CDU-Antrag, der auch Aspekte der Grünen beinhaltete. Dieser sah vor, dass Fragen weiterhin vorab schriftlich gestellt werden müssen. Künftig soll aber von der Verwaltung nachgefragt werden, ob die Anfrage mit der Verwaltungsantwort erledigt ist. Außerdem soll die Bürgerfragestunde einen anderen Namen erhalten. Bei zwölf Ja-Stimmen fand dieser Antrag eine Mehrheit. Die finale Beschlussfassung erfolgt im Gemeinderat am 22. Mai.