150 Jahre Matthias Erzberger: Feierstunde und Buchvorstellung
Am 20. September beging die Stadt Biberach im Rahmen einer Feierstunde im Rathaus den 150. Geburtstag von Matthias Erzberger, dessen Name wie kaum ein anderer für den Wandel hin zur parlamentarischen Demokratie und das Bemühen um Frieden steht. Die Rednerinnen und Redner nahmen das Leben und Wirken Erzbergers in den Blick und stellten seine Bedeutung für die demokratische Entwicklung Deutschlands in den Mittelpunkt.
Ein bewegendes Lebensbild zeichnete der Vortrag von Gunther Dahinten, der insbesondere auf die enge Verbindung Erzbergers zu Biberach, dem Zentrum seines Wahlkreises, abhob. So hätten sich nach Erzbergers gewaltsamem Tod im Jahre 1921 allein in Biberach zu dessen Begräbnis am 31. August desselben Jahres 30.000 Menschen eingefunden, obwohl Erzberger kein Staatsoberhaupt, sondern „nur“ Abgeordneter und Minister war. Die Rede würdigte Erzberger als „dynamischen Redner mit schwäbischem Akzent,“ als eine „politische Urgewalt aus der schwäbischen Provinz“ und stellte die vielfältigen politischen Leistungen heraus, die Erzberger vollbrachte.
Die Ansprache von Ralf Miller, Erster Bürgermeister, erinnerte an Erzbergers Mut, in stürmischen Zeiten Verantwortung zu übernehmen, und betonte die bleibende Bedeutung seiner Leistungen: Die Unterzeichnung des Waffenstillstands von Compiègne und die Reformen des Jahres 1920 prägen die Geschichte Deutschlands bis heute. Miller bezeichnete die sogenannte „Dolchstoßlegende“, die Erzberger als „Verräter“ diffamierte, als zerstörerische und mörderische Verschwörungserzählung und ging der Frage nach, warum Verschwörungserzählungen bis heute Anklang finden: „Gerade jene politischen Lügenerzählungen sind erfolgreich, die uns Bürgern unangenehme Wahrheiten ersparen, Verantwortung abnehmen und die Schuldfragen von uns weg verlagern“, so EBM Miller.
Im Mittelpunkt der Feierstunde stand auch die Neuauflage des Buchs von Dr. Alfons Siegel: „Matthias Erzberger – Leben, Wirkung, Spuren“. Siegel erläutert im Gespräch mit Kultur- und Bildungsdezernentin Verena Fürgut, welche Inhalte neu aufgenommen wurden – darunter die Reden zur Einweihung des Erzberger-Platzes und eine aktuelle Rezension, die neue Aspekte zur Forschung und zu den internationalen Netzwerken hinter dem Attentat beleuchtet. Das Buch, so Siegel, richte sich sowohl an Kenner als auch an Menschen, die erstmals Zugang zu Erzbergers bewegtem Leben suchen.
Siegel sprach weiter darüber, was ihn an Erzberger bis heute fasziniert, so die Entwicklung vom Kriegsbefürworter zum Anwalt des Friedens. Auch wichtige Erzberger-Orte in Biberach –Stadtbierhalle, Kronensaal, Jordanbad, „Grüner Baum“ und das Ehrengrab auf dem Alten Katholischen Friedhof – wurden gewürdigt. Ein QR-Code an der Gedenktafel am Rathaus führt Interessierte zu diesen Erinnerungsstätten.
Knapp 90 Gäste, darunter sämtliche Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Biberach, nahmen am Empfang teil. Zum Abschluss der Feierstunde wurde das Video des Demokratiespaziergangs mit Landtagspräsidentin Muhterem Aras vom Mai dieses Jahres gezeigt, welches die aktuelle Bedeutung Erzbergers für Demokratie und Verständigung unterstrich.