Landtagspräsidentin Muhterem Aras zu Gast in Biberach: Auf den Spuren von Matthias Erzberger
Etwa 150 Bürgerinnen und Bürger – darunter viele Schülerinnen und Schüler – waren auf den Matthias-Erzberger- Platz vor dem Biberacher Rathaus gekommen, um sich auf Einladung der Präsidentin des Landtags von Baden- Württemberg intensiv mit Leben und Wirken eines Wegbereiters der Demokratie auseinanderzusetzen. Muhterem Aras sagte zu Beginn: „Demokratie ist ständig in Bewegung, sie lebt von Veränderung und Dialog. Und von der Idee, dass wir es morgen besser haben können als heute.“
Nach einer Einführung durch Alfons Siegel von der Erzberger-Initiative Biberach startete der Spaziergang, vorbei am Gasthof „Grüner Baum“, wo Erzberger vermutlich seine letzte Rede hielt. Eine Gedenktafel erinnert dort heute an ihn. Zweite Station war die Stadtbierhalle, wo Schülerinnen und Schüler der Matthias- Erzberger-Schule ein Rap-Theater aufführten, das die Jugendlichen bei Projekttagen extra für die Veranstaltung geschrieben hatten. Dritte Station war der Alte Katholische Friedhof. Gunter Dahinten von der Erzberger-Initiative erinnerte an das politische Vermächtnis des im Alter von 46 Jahren ermordeten Politikers. Zum Abschluss legte Landtagspräsidentin Aras einen Kranz am Ehrengrab Erzbergers nieder. Bei dem Spaziergang hatten die Teilnehmer immer wieder Gelegenheit innezuhalten und in den Austausch zu gehen.
Demokratie ist stärker gefordert
Beim Empfang am Abend begrüßte Oberbürgermeister Norbert Zeidler die Gäste: „Die Demokratie ist in Matthias Erzbergers altem Wahlkreis auch heute noch in Bewegung. Sie ist wesentlich gefestigter als zu seinen Zeiten und doch ist sie stärker gefordert als noch vor einigen Jahren.“ Erzberger sei ein bedeutender Politiker und Staatsmann gewesen, zur damaligen Zeit aber keineswegs überall beliebt. „Es war in Erzbergers Todesjahr 1921 ein sehr starkes Zeichen, als die katholische Gemeinde Biberachs darum bat, ihn hier bestatten zu dürfen. Biberach ließ ihm eine Achtung widerfahren, die er in anderen Teilen des Deutschen Reichs nicht erhalten hätte – oder nur sehr schwer.“
Diese Biberacher Tradition der Wertschätzung Erzbergers sei immer lebendig gewesen und habe im vergangenen Jahr mit der Umbenennung des Platzes vor dem Rathaus einen neuen Höhepunkt erfahren. „Eine Entscheidung, über die ich persönlich sehr froh und für die ich dem Gemeinderat sehr dankbar bin.“ Er wünsche sich, dass kein Politiker in diesem Lande mehr wie Erzberger sagen muss: „Die Kugel, die mich treffen soll, ist schon gegossen.“ Und er wünsche allen, so Zeidler am Ende seiner Rede, eine große Scheibe vom Mut und dem Optimismus Erzbergers. „Ich wünsche uns Vertrauen in die Demokratie.“
Landtagspräsidentin Aras zog in ihrer Rede Parallelen zu Erzbergers Zeit und mahnte, dass Demokratie keine Selbstverständlichkeit sei und immer wieder verteidigt werden müsse. „Wenn es eine Lehre aus der Weimarer Republik und aus dem Mord an Matthias Erzberger gibt, dann diese: Politische Gewalt und politischer Fanatismus müssen rechtzeitig im Keim erstickt werden.“ 80 Jahre nach Kriegsende gebe es heute erneut eine akute Gefahr, die es mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu bannen gelte. „Unsere Gesellschaft, unsere Demokratie, braucht Menschen, die sich demokratisch engagieren, haupt- oder ehrenamtlich“, betonte Aras. Jedem müsse bewusst sein: „Wer Demokratiefeinde stärkt, wer Rechtsextreme wählt, bringt Menschen in Gefahr. Nachbarn, Freunde, Kollegen, Mitschüler.“ Sie bedankte sich auch bei der Stadt Biberach, die viel dafür geleistet habe, Demokratiegeschichte sichtbar zu machen. „Dass der Platz vor diesem Rathaus seit Oktober nach Matthias Erzberger benannt ist, ist ein großartiges Beispiel dafür.“
Eintrag ins Goldene Buch
Bürgerinnen und Bürger hatten anschließend die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Es ging unter anderem darum, wie faschistischen Entwicklungen entgegengetreten werden kann, wie man Kinder und Jugendliche in den Sozialen Medien vor extremen Positionen schützen kann und wie Verbände und Vereine gestärkt werden können, damit junge Menschen demokratische Werte dort selbst hautnah erfahren können. Muhterem Aras trug sich zudem ins Goldene Buch der Stadt ein und besichtigte eine Plakatausstellung von Schülerinnen und Schülern der Matthias-Erzberger-Schule im Foyer des Rathauses. Die Ausstellung ist das Ergebnis eines Schulprojekts, bei dem sich die Jugendlichen mit der Frage beschäftigt haben, was Matthias Erzberger heute zum Thema Demokratie sagen würde.